KONZERT 3: es geht ab in den Norden!

Beitrag veröffentlicht am

Ein Programm aus dem europäischen Norden verspricht uns das KONZERT 3: die 3. Symphonie Jean Sibelius‘ erzählt wohl von Finnland, das Flötenkonzert Carl Nielsens von Dänemark. Wäre da nicht die scherzhafte Ouvertüre, die direkt aus Übersee einfliegt, und mit einem Augenzwinkern unsere „klassische“ europäische Musiktradition ein bisschen durcheinanderrüttelt.

 

William Bolcom,

der Neuerfinder des Ragtime, (Musical-) Songwriter und Komponist von klassischen Gattungen wie Streichquartetten, Chorwerken, aber auch Opern und Symphonien, wurde 1938 in Seattle geboren und lebt heute in Michigan, wo er studiert und unterrichtet hat. 1971 hat der Tausendsassa des musikalischen Stils eine Commedia geschrieben, Titel und Untertitel sind Programm: for (almost) 18th century orchestra. Natürlich ist mit Commedia die italienische Commedia dell’arte gemeint, in der Arlecchino und Pagliaccio mit Colombina und dem Dottore ihre Späße treiben. Und ein bisschen Italien ist vermeintlich zu hören, wiewohl einiges auch aus unseren Breiten kommen könnte, oder? Alles verbunden oder getrennt durch die nachdrückliche Handschrift des Komponisten, natürlich eklektisch!

Carl Nielsen …

… ist der dänische Superstar der Jahrhundertwende vom 19. ins 20. Jahrhundert. Auch wenn er erst spät internationale Beachtung erlangt, ist er doch in vielen Bereichen zuhause: er komponiert nicht nur, sondern ist auch als Dirigent, Lehrer und Schriftsteller tätig. Anfangs eher in spätromantischer Charakteristik gehalten, werden seine Werke immer gewagter, er findet seinen eigenen Stil und gilt als Vorbereiter der dänischen Moderne.

Nachdem er 1922 ein erfolgreiches Werk für das Kopenhagener Bläserquintett geschrieben hatte, plante er, für jeden der fünf Musiker ein Solokonzert zu schreiben. 1926 entstand daher also das Flötenkonzert, als er auf Reisen in Deutschland und Italien war, und es ist dem Flötisten des obengenannten Bläserquintetts auf den Leib geschrieben. Bei seiner Uraufführung war es ein großer Erfolg! – Übrigens konnte Nielsen seinen Plan von fünf Solokonzerten leider nicht verwirklichen: aufgrund seiner schlechten Gesundheit wurde nur noch das Klarinettenkonzert 1928 vollendet.

Auf der Bregenzer Bühne werden Sie die Französin Joséphin Olech hören. Die Soloflötistin des Rotterdamer Philharmonischen Orchesters, die auch eine rege und erfolgreiche Solokarriere betreibt, hat Nielsens Flötenkonzert vor zwei Jahren sogar auf CD aufgenommen. Für sie ist es ein „wundervolles Stück in Nielsens so einzigartiger musikalischer Sprache“, bei der es wohl einige Zeit gedauert habe, sie zu verstehen, die sie jetzt aber absolut liebgewonnen habe.

Jean Sibelius,

der Zeitgenosse Nielsens, aber auch Gustav Mahlers, Giacomo Puccinis oder Richard Strauss‘, bringt seinerseits die Musik in Finnland vom 19. ins 20. Jahrhundert. Auch er sucht und findet schließlich seinen ganz eigenen Stil, auch er wird in seinem Land als „Nationalkomponist“ gefeiert. Studienzeiten bringen den jungen Jean nach Berlin und Wien, wo er bei Robert Fuchs und Karl Goldmark studiert und Ideen für seine erste symphonische Dichtung hat, die ihn auf einen Schlag in Finnland bekannt macht. Weitere epische und höchst erfolgreiche Werke folgen, bevor er sich an die „Symphonie“ heranwagt. Sind die ersten beiden noch spätromantisch geprägt, bringt schon die 3. Symphonie eine Wende in seinem Schaffen, und von da an untersucht er bis zur letzten vollendeten 7. Symphonie in jedem Werk die Möglichkeiten, wie große, symphonische Formen unter größtmöglichem Verzicht auf traditionelle Mittel geschaffen werden können. Diese Werke beeinflussten das symphonische Denken ganzer Generationen nicht nur in Skandinavien, sondern auch in England und den USA nachhaltig. In deutschsprachigen Ländern war dieser Einfluss weniger stark; ein Grund dafür kann Theodor W. Adornos „Glosse über Sibelius“ gewesen sein, wie Barbara Urstadt in der aktuellen Podcastfolge SOV zum REINHÖREN herausfindet. Näheres erfahren Sie dazu auf www.sov.at/sov-zum-reinhoeren.

 

Chefdirigent Leo McFall hat für das KONZERT 3 die 3. Symphonie programmiert, die das Orchester nun zum ersten Mal spielen wird. Er selbst ist mit Sibelius‘ Werk gut bekannt, hat er doch in Helsinki studiert und „seinen Sibelius“ auch in der englischen Heimat kennengelernt. Diese Wendepunkt-Symphonie besticht durch eine viel kleinere, klassische Orchesterbesetzung, den klareren Stil, das Denken in kleinsten motivischen Zellen – grade im ersten Satz zu hören. Ein Volkslied könnte die Idee für den zweiten Satz gewesen sein, der dritte ist – laut Leo McFall – fast eine eigene Symphonie mit einer Reise vom Dunkel zum Licht, zu einem Choral, der über allem triumphiert. Jean Sibelius nannte dies „die Kristallisation der Idee aus dem Chaos“.